IM GEDENKEN AN UNSEREN FREUND DOMINIK
Vor kurzem informierte eine E-Mail eines alten Cousins, Emil THON (den die Aikidoka aus dem Ruhrgebiet gut kennen), vom Tod von Dominik, einem leidenschaftlichen und unermüdlichen Aikidoka. Seine Anwesenheit gab jedem der Lehrgänge, die bis 2007 stattfanden, eine Note liebenswürdiger Fantasie. Danach ermöglichte ihm seine Gesundheit nicht mehr, so am Training teilzunehmen, wie er es gern gehabt hätte.
Das Wort „Fantasie“ ist hier keineswegs ironisch gemeint; nur hinterlässt der Gedanke an diesen fröhlichen kleinen Mann mit seinem gallischen Schnauzbart und seinem Pferdeschwanz, seinen schwungvollen und konzentrierten Bewegungen eine leise Sehnsucht.
Vielleicht gab es eine Verbindung zwischen seiner beruflichen Vergangenheit als Kumpel (dem leider nur ein kurzer Ruhestand beschieden war) und den gesundheitlichen Problemen, die ihn in den letzten Jahren heimgesucht hatten. Die Erinnerung an Dominik lebt jedenfalls in uns fort, allein schon durch die Gegenstände, die er so gern aus Holz herstellte, um sie seinen Freunden zu schenken. Da gab es dieses Amulett, auf dem „Aikido“ auf japanisch eingschnitzt war; es gab diese senkrechte Wandplatte mit einem ähnlichen Bild; und es gab diesen Bokken aus afrikanischem Holz – dem Holz, aus dem auch die Stollenstützen bestanden hatten…
Ich muss gestehen, und zwar ohne jede Beschönigung, dass in der Bokkensammlung keiner so leicht zu handhaben, so dicht, so schlank ist wie dieser; er ist der Partner endloser Shiho-Giri-Übungen (Vier-Richtungen-Schnitt), er scheint sogar förmlich dafür bestimmt zu sein, so schön schwebt er durch die Luft und schmiegt sich damit in diese lockere und flüssige Bewegung ein.
Wenn man einen solchen Gegenstand verwendet, denkt man ganz selbstverständlich an den, der ihn hergestellt hat: Sein KI liegt darin, sein Geschmack, sein Genie, seine Geduld, sein Sinn für das Schöne, seine Technik, seine Zeit, sein Inneres; es steckt etwas von ihm im Gegenstand, den er hinterlässt.
Ihn zu benutzen ist mehr denn je die beste Art, auf ewig seiner zu gedenken.
DAS SCHWERT, GEFÄHRTE UNSERER ASKESE
Und was dieses Schwert angeht, ist das von Dominik viel wendiger als alles, was es im Handel gibt. Sogar ein Exemplar aus seltenem japanischen „Sunuke„-Holz, das vor einigen Jahren für teures Geld in die Sammlung fand, gibt kein solches Gefühl zurück, hat nicht die Dichte, die gleichen „Schwebe-Eigenschaften“ im Raum, und das aus einem einfachen Grund: Die Bokken (in Japan sagt man übrigens eher „Bokuto“) werden nach Standardmaßen hergestellt, nämlich seit dem Friedensvertrag von San Francisco (8. September 1951), der alle möglichen Normen aufstellte, um die endgültige Entmilitarisierung Japans zu fördern.
Das Schwert als Kriegersymbol schlechthin gehörte nämlich zur Grundausrüstung des japanischen Soldaten.
Es war dem berühmten historischen Katana nachgebildet, jedoch an eine moderne Kriegsführung angepasst: Metallscheide, rostfreie Stahlklinge, manchmal ahmte die Oberfläche des Metallgriffs sogar die traditionelle geflochtene Griffwicklung nach! Es sollte allen Widrigkeiten widerstehen wie etwa einer Schiffsüberquerung, einer Enterung, einem Bodenaufprall, schlechtem Wetter, schlechten Lagerungsbedingungen, mangelhafter Pflege…
Da es für zahlreiche Exekutionen verwendet wurde, galt das Armeeschwert – man nannte es Showa-To (Schwert der Showa-Ära, also der Herrschaft des Kaisers Hirohito, die mit dessen Tod 1989 endete) oder auch Shin-Gunto („Neues Armeeschwert“) – den Amerikanern und später auch den Japanern selbst als ein fluchbelegtes Instrument.
Sein Besitz wurde untersagt und die Vernichtung des kompletten Restbestands beschlossen. Mit einer sehr dicken Zange wurde die Klinge zehn Zentimeter über der Tsuba durchtrennt und beide Hälften gingen anschließend zur Verschrottung. Davon waren natürlich nur die Armeeschwerter betroffen, also das Modell der Showa-Ära.
Doch darüber hinaus verschlechterte sich das Ansehen eines jeden Schwerts, eigentlich ein edles Instrument schlechthin, da es in Japan zusammen mit dem Spiegel und dem Edelstein zu den drei Symbolen der Göttlichkeit gehört; eines zu besitzen oder zu benutzen war daraufhin verpönt. Wenn eine japanische Familie das Schwert eines Ahnen besitzt, dann wird es geheim gehalten, man legt es in einer Tasche weg und holt es nur unter größten Vorsichtsmaßnahmen heraus, damit man ja nicht von den Nachbarn oder anderen Neugierigen damit gesehen wird.
Wir wissen aber, dass das Schwert im Budo kein Werkzeug ist, um zu töten, sondern dass damit nur ins Leere geübt wird. So ist es ein „Instrument des Lebens“ geworden: Jede Bewegung, die man damit durchführt, ist ein Schritt in Richtung der Befreiung des Übenden. Die Suche nach einem Ideal über den Weg eines lockeren und flüssigen Schneidens wird durch keine kriegerische Intention behindert; der Bokken und erst recht der antike Katana werden wirklich zumSchwert der Erlösung (Katsu-Jin Ken).
Jeder Schlag in den Raum ist eine Art Wiedergeburt, Quelle von Freude für Körper und Seele, eine Meditation in Bewegung, in der alle Fäden des Seins in eine schwer zu beschreibende Empfindung zusammenfließen. Geht es dabei noch ums Sein oder schon ums Nichtsein? Das lässt sich nicht abschließend beantworten.
Der Friedensvertrag von San Francisco hat nicht nur die Maße, sondern auch die Anzahl der Schwerter festgelegt, die die Schmiede herstellen dürfen. Man kann davon ausgehen, dass die Politiker sich keinen Augenblick ausmalten, dass ein Schwert auch andere Verwendungen finden könnte, als Leute in Stücke zu schneiden.
Um dies zu umgehen und insbesondere den Budoka eine Trainingsmöglichkeit zu lassen, schuf man die Iai-To bzw. Iai-Schwerter, deren Besonderheit darin besteht, dass ihre Klinge stumpf ist und aus einer Fabrik stammt. Ihre Länge wurde festgelegt, sodass alle mit einem Standardschwert üben, fast einem Einheitsmodell. Das ist so, als würde man festlegen, dass alle Leute, sowohl die ganz kleinen, als die sehr großen, als alle dazwischen, einen Anzug von Größe 52 tragen würden, und man auch gar keine anderen Größen als die Größe 52 mehr angeboten bekäme.
In Japan hat der Volksmund diese Schwerter in „Omocha“ umgetauft, also „Spielzeug„. Ein schwerer Schlag ist das für die Budoka, die mit ihrem Schwert vom Modell „Zato-ichi“ zur Grenzkontrolle kommen: Wenn der Zöllner Sie bei der Ausfuhrkontrolle auffordert, ihr Schwert vorzulegen, dann schaut er sich die Klinge an und sagt, „Sie können passieren, ist ja nur ein Spielzeug„. Sollte er übrigens etwas zu einem anderen Schluss kommen, wird Ihr Schwert entweder vernichtet, wenn es ein modernes ist, und ein antikes wird beschlagnahmt.
Der Zusammenhang mit Dominik? Er besaß die Intelligenz, unterschiedliche Bokken-Modelle zu schaffen, die den Wünschen der Übenden entsprachen. Das sind Schwerter, die ganz anders „antworten“ als die Schwerter aus dem Handel. Als eines Tages ein Sensei bei uns zu Besuch war und eine Bewegung vorführen wollte, wählte sein geübtes Auge gleich diesen Bokken und ließ all jene aus weißer Eiche liegen, die ihm zur Verfügung standen! Das beweist, dass er die Qualität des Schwerts trefflich bewertet hatte.
Wenn Sie nicht das Glück haben, ein Schwert von Dominik zu besitzen, können Sie zumindest Ihr individuelles Modell herstellen, oder andernfalls einen handelsüblichem Bokken umbauen. Allein indem Sie drei Zentimeter Grifflänge wegschneiden, haben Sie ein wendigeres Schwert. Ist es zu dick, verwenden Sie einen Hobel und verschlanken es um ein Viertel seiner Masse; nun ist es leichter, filigraner und besser geeignet für das Üben des Shiho-Giri (unter anderem).
Aber jetzt ist dieser Artikel länger geworden, als beabsichtigt. Ich gehe ein anderes Mal mehr auf das Thema ein,
Diese Ausführungen über das Schwert haben uns die Gelegenheit gegeben, im Geiste einen letzten Moment mit Dominik zu verbringen, dem dieser Eintrag gewidmet ist.